Wales
Tag 11: Dienstag 10.6.97, 657 km, sonnig, Zeltpl. £ 6,95
Aufbruch 9:15 Uhr. Dieser Tag war ein reiner Fahrtag. Wir verließen Schottland, durchquerten England und kamen nach Wales. Eine Mammutstrecke die aber sein mußte, um noch Zeit in Wales zu haben. Auf der A82 erreichten wir Glasgow, mußten ein Stück durch die Stadt (Eindruck: viel Industrie) um zur Autobahn M74 zu kommen. Diese führte nach Süden. Auf den Autobahnen kommt man trotz der offiziell 112 km/h gut vorran. Keiner drängelt oder rast übermäßig schnell. So kann man mit konstanter Geschwindigkeit, wenn auch seitenverkehrt, entspannt fahren. Staus gab es keine. Um die Mittagszeit genehmigten wir uns einen Zwischenstop in Gretna Green. Dieser Ort in den Lowlands an der schottischen Grenze zu England wurde weltbekannt als Heiratsparadies des 18. Jhds. Grund war ein Gesetz, dass man in Schottland schon mit 16 Jahren ohne Zustimmung der Eltern heiraten konnte, während man in England 21 Jahre sein mußte. Da in Schottland auch kein Priester vonnöten war flohen viele Paare hierher und ließen sich vom Schmied, gegen Gebühr, trauen. Das kann man heute noch. Im restaurierten Old Blacksmith Shop, der Dorfschmiede wo die meisten Ehen geschlossen wurden, ist neben dem Museum auch ein Raum dafür. Das ganze Gelände ist aber mit Shops und Restaurants für den Massentourismus entsprechend aufgearbeitet. Um 14:00 Uhr begaben wir uns auf die zweite Etappe der Fahrt. Mit der M6 kamen wir schließlich ins Industriezentrum von Liverpool und Manchester. Um Liverpool fuhren wir im großen Bogen herum und passierten die walisische Grenzlinie. Jetzt wieder auf Landstraßen kamen wir nach Nordwales. Die Straßenschilder und Verkehrszeichen hier sind alle zweisprachig ausgeführt, wobei walisisch vor englisch steht. Unser Ziel war Bala. Diese Kleinstadt am gleichnamigen See liegt ca. 100 km südwestlich von Liverpool. Dort fanden wir einen ansprechenden Zeltplatz, etwas außerhalb am Berghang, mit Talblick. Nach Ankunft gegen 17:30 Uhr und Zeltaufbau sahen wir uns kurz in der Stadt um und versorgten uns mit frischen Lebensmitteln.
Tag 12: Mittwoch 11.6.97, 234 km, wolkig, trübe
Nach der anstrengenden Fahrt gestern schliefen wir heute etwas länger. Um 10:00 Uhr entschieden wir uns, aufgrund des trüben Wetters, gleich heute einen Ausflug nach Liverpool zu unternehmen. Auf dem Weg in die Stadt verließen wir nochmals Wales. Nach einer guten Stunde Fahrt passierten wir den River Mersey Tunnel, irrten ein wenig durch den Großstadtverkehr und nahmen dann das erste Parkhaus das wir fanden. Nach einer kleinen Orientierung anhand eines Stadtplanauszuges im Reiseführer liefen wir zum Albert Dock am Mersey River. Ein fünfstöckiges Gebäudekarree aus Backstein umrahmt das Hafenbecken. Früher wurden in den Häusern Waren aus aller Welt gelagert und gehandelt. Nach der Sanierung beherbergt das Albert Dock heute Museen, Appartments, Restaurants, Büros und Shops. Wir besuchten zuerst die Beatles Story im Kellergeschoss eines Teils des Docks. Dieses Museum erzählt die Geschichte der weltbekannten Band, illustriert mit zahlreichen Erinnerungsstücken, Fotos und Filmen. Nach diesem interessanten Spaziergang durch die Geschichte der Beatles bummelten wir durch einige der Shops und kehrten zu Mittag in eines der Restaurants ein. Anschließend liefen wir an den Piers entlang, wanden uns dann der Innenstadt zu und schlenderten durch die Einkaufsmeilen. Zum Schluß unternahmen wir noch einen schweißtreibenden Anstieg in der mittlerweile hervorgekommenen Sonne auf den Hügel der römisch-katholischen Kathedrale. Der ungewöhnliche Bau sieht aus wie eine Laterne aus Beton und viel Glas. Wir hatten nachher genug von Stadtbesichtigungen und machten uns auf den Weg zurück zum Auto. Den Weg aus der Stadt fanden wir relativ problemlos, da wir nur Richtung Tunnel fahren mußten. Wir nahmen nicht den direkten Weg zurück zum Zeltplatz, sondern machten noch einen Abstecher nach Llangollen. Über den Hufeisenpass, einer Serpentinenstraße in Form eines solchen, kamen wir in die Kleinstadt mit Schmalspurbahn. In diesem Urlaubsort machten wir einen Spaziergang in der Abendsonne und kehrten dann zum Quartier zurück. Später am Abend fing es wieder mal an zu regnen, es schüttete regelrecht wie aus Eimern. Im Nu war alles überflutet. Die ganze Nacht hindurch plätscherte es munter vor sich hin, das Zelt hielt aber bis auf kleinere Stellen den Wassermassen stand.
Tag 13: Donnerstag 12.6.97, 257 km, bewölkt und grau, Schauer, um 15°C
Heute erst um 11:30 Uhr losgefahren, nachdem die Wassermassen, die in Sturzbächen die Wiesen runterkamen, abgeflossen waren. Wir brachen auf zu einer Rundtour in Nordwales. Über schmale Straßen, durch die grüne walisische Hügellandschaft und durch kleine Ortschaften kamen wir nach Caernarfon. Das Stadtbild des Küstenortes beherscht das gewaltige Castle. Dieses Castle, sowie die anderen in der Umgebung, sind als reine Verteidigungsburgen gebaut worden. Das Caernarfon Castle ist eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Festungsanlagen Europas. Mit dem Bau begann man 1283. Es dauerte 37 Jahre bis die Festung fertig war. In der Festung kann man innerhalb der mächtigen Mauern durch die Wehrgänge laufen und die 13 Türme erklettern. Es waren Ausstellungen zur Geschichte der Burg und zur Krönungsfeier Prinz Charles zum Prince of Wales, die hier 1969 stattgefunden hat, zu sehen. In einer audio-visuellen Diaschau erfuhr man viel über die Zeit der englisch-walisischen Feindschaft, in der diese Festungsanlagen unter König Eduard I. errichtet wurden. Nach einem Stadtrundgang führte uns der weitere Verlauf der Fahrt über eine der Menai Street Brücken auf die Insel Anglesey vor der Nordwestküste Wales. Die Menai Street ist eine 1,2 km breite Wasserrinne, die die Insel vom Festland trennt. Erster Stop auf der Insel war der Ort mit dem wohl längsten Namen der Welt:Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch. Auf Deutsch heißt der Ort „Die Kirche Mariens in der Senke des weißen Haselnußstrauchs, nahe dem reißenden Strudel und der Kirche Tysilios unweit der roten Höhle”. Mit 58 Buchstaben ist das Bahnhofsschild das meistfotografierte überhaupt. Ansonsten gab der Ort nichts weiter her.
Auf dem Rückweg unserer Irland-Reise 2012 kamen wir mit der Fähre in Holyhead auf dem Westausläufer der Insel Anglesey an. Nach kurzzeitiger Verwirrung, weil unser Straßenatlas von 1997 die Straßenführung nicht kannte, wurde klar: Mittlerweile wurde die Schnellstraße A55 quer durch die Insel getrieben. Wir suchten und fanden die alte Straße A5, weil wir doch wieder in Llanfair P.G. vorbeischauen wollten. Inzwischen hat wahrscheinlich die Bahnbetriebsgesellschaft gewechselt, weil die Schilder in anderen Farben gehalten waren. Neben dem Parkplatz am Bahnhof wurde auch ein kleines Einkaufszentrum mit Souvenirshops errichtet. Sonst hatte sich nichts verändert.
Ein Stück weiter hielten wir in Beaumaris. Hier steht das gleichnamige Castle, die größte Festungsanlage die Eduard I. in Wales erbauen ließ. Die Festung im Stile des Caernarfon Castles wurde 1295 begonnen aber nie vollständig fertiggestellt. Fünf Meter dicke Mauern mit wuchtigen Ecktürmen umgeben den quadratischen Innenhof. Nach einem Bummel durch den kleinen interessanten Ort fuhren wir wieder aufs „Festland” zurück. Eine letzte Station an diesem Tag war Cowny. Der Ort an der Mündung des Cowny River hat natürlich auch ein Castle zu bieten. Außerdem ist der historische Stadtkern, ausgehend vom Castle, noch fast vollständig durch die mittelalterliche Stadtmauer eingeschlossen. Nach Besichtigung des Castle, noch kurz vor Schließung am Abend (ähnlich wie die beiden vorher), unternahmen wir noch einen interessanten Abendspaziergang in der Stadt. Dabei konnten wir auf der Stadtmauer mit seinen 3 Toren und 22 halbrunden Türmen den Stadtkern umrunden. Man hatte zahlreiche Einblicke in Dachfenster und Hinterhöfe. Ein sehr schöner Abschluß des Tages. Gegen 20.15 Uhr waren wir am Zelt und konnten ausruhen. Die Abende in Wales enttäuschten eher vom Wetter her als die in Schottland. Öfters Regen und kühl.
Tag 14: Freitag 13.6.97, 197 km, bewölkt, grau, Regenschauer bis abends
Wir starteten 10 Uhr nach Llanberis. Dort unternahmen wir eine Fahrt mit der Snowdon Mountain Railway, einer Zahnradbahn, auf den Snowdon. Der Berg (1085 m) ist Teil des Snowdonia National Parkes und unter den 14 Gipfeln der Höchste. Trotz des trüben Wetters hatten wir zu Beginn der Bergfahrt noch relativ gute Sicht. Mit zunehmender Höhe wurde der Nebel dichter. Auf dem Gipfel schließlich war alles dicht. Durch den Nebel war extrem feuchte Luft, man konnte keine 20 m sehen. Wir fuhren mit der nächsten Bahn gleich wieder runter. Alles in allem nicht so toll gewesen und auch noch teuer. Hier in Llanberis startet außer der Bergbahn noch eine weitere. Sie ist eine der vielen Schmalspurbahnen die es in Nordwales gibt. Sie stammen aus der großen Zeit des Schieferabbaus, transportierten früher Schiefer und heute die Touristen. Die Bahnen sind sehr beliebt, es wurden Waggons aus aller Welt zugekauft und Strecken sogar erweitert um die große Nachfrage zu bewältigen. Durch den Nieselregen war die Laune für weitere Ausflüge dahin. Wir besichtigten im Ort das Welsh Slate Museum. In diese ehemaligen Schieferwerkstätten wurde der Rohschiefer aus dem Steinbruch antransportiert. Hier wurde er dann in Handarbeit weiterbearbeitet. Das heißt in dünne Platten gespalten und anschließend behauen für die jeweiligen Verwendungszwecke. Heute macht man dort Vorführungen des alten Handwerks, das heute teilweise Maschinen erledigen. Zum Museum gehört auch eine Tischlerei, Schlosserei und eine Gießerei mit Formenbau, in der sämtliche Maschinenteile hergestellt wurden. Desweiteren hatten sie mit dem 16 m im Durchmesser großen Wasserrad aus Holz eine eigene Energieversorgung. Von einem etwas entfernten Wasserfall leitete man das Wasser in Rinnen über das Rad. Nach dem Rundgang machten wir uns auf den Rückweg zum Zeltplatz. Es nieselte immer noch vor sich hin. In Porthmadog, einem Urlaubsort, hielten wir kurz an. In diesem Ort endet die älteste Schmalspurbahn der Welt, die Ffestiniog Railway. Sie wurde 1836 zum Transport von Schiefer gebaut und fährt heute noch. Allerdings mit Touristen. Im Ort selber war nichts mehr los. Nach 17:30 Uhr hatten alle Geschäfte zu. Aber nicht nur hier war das so. Die meisten Läden, außer größere Supermärkte, schließen spätestens halb sechs. Die Sehenswürdigkeiten sind bis längstens 17:00 Uhr geöffnet. Nachher war fast überall tote Hose. Auch im Sommer. Wir verbrachten den letzten Abend in Nordwales im Zelt.
Tag 15: Samstag 14.6.97, 205 km, bewölkt, kein Regen, Zeltpl. £ 8,50
Am Morgen packten wir wieder und fuhren um 10 Uhr nach Südwales ab. Über Nebenstraßen, vorbei am Powis Castle - einem rotem Sandsteinschloß, kamen wir nach Montgomery. Zur Mittagszeit herrschte im Ort schon Wochenendstimmung. Wir stiegen auf den Hügel über der Stadt, wo Reste eines Castles stehen. Dort hatte man einen schönen Rundblick über das grüne Wales und die hübsche Ortschaft Montgomery. Wieder im Ort verpflegten wir uns mit Fish und Chips aus einer Imbißbude, die dem Andrang nach zu urteilen, sehr beliebt war. Leider machten wir den Fehler bei der Frage nach Salt & Vinegar zustimmend zu nicken. Salz auf den Pommes ist ja in Ordnung, aber die britische Sitte Essig drauf zu kippen können wir nicht nachvollziehen - sowas von scheußlich. Ich hatte etwas vom Offa`s Dyke gelesen, einem Erdwall, der um 800 zum Schutz der Angelsachsen vor den Walisern errichtet wurde. Er war 272 km lang. In Knighton wollten wir anschauen was davon übrig ist, hatten uns da wohl zu viel versprochen. Die Erdwälle, die aus vergangener Zeit stammen, fügen sich jetzt in die übrige Landschaft ein. Was besonderes gab es also nicht zu sehen, außer dem Info Center dazu. Weiterfahrt nach Brecon, wo wir unseren nächsten Zeltplatz gegen 16 Uhr erreichten. Der Platz zählt zu den Besten in Großbritannien. Wege erschließen das Gelände des ehemaligen Bauernhofes, wo jeder eine abgeteilte Stellfläche auf gepflegtem Rasen zur Verfügung hatte. Wir richteten unser Quartier ein und brachen noch zu einer Stadtbesichtigung auf. Wir befanden uns dort im Brecon Beacon National Park, dem der Ort seinen Namen verlieh. Berge aus rotem Sandstein und zahlreiche Wasserfälle prägen den Park. Der Ort selber liegt im Tal des River Usk und war ein typischer Urlaubsort. Später fuhren wir noch ein wenig in der Gegend rum und kehrten dann zum Zelt zurück.
Tag 16: Sonntag 15.6.97, 213 km, sonnig den ganzen Tag
Der Morgen versprach einen schönen Tag. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Abergavenny, von wo aus wir eine weitere Bergwanderung unternehmen wollten. Dort fuhren wir erstmal ziellos hin und her, auf der Suche nach einem Parkplatz am Berg. Die Beschilderung für die Ausgangspunkte fehlte hier völlig. Ansonsten konnten wir uns darüber nicht beklagen. Trotzdem fanden wir noch den Weg. Als wir das Auto verließen trafen wir eine englische Familie die uns nach dem Weg fragte, wo wir uns doch selber nicht auskannten. Den Weg folgten wir durch einen Bauernhof, über Viehweiden, bis er sich auf einmal verlor. Den baumlosen Berg vor Augen liefen wir einfach querfeldein, bis wir wieder einen Pfad fanden. Nach 1,5 Stunden erreichten wir den 600m hohen Gipfel des Sugar Loaf. Die englische Familie war schon da und saß bereits beim Picknick. Sie sagten sie hätten sich doch noch an einen anderen, kürzeren Weg erinnert. Aber egal. Wir genossen die Aussicht und konnten jetzt von hier oben den Weg zurück klar erkennen. Es war doch etwas mehr als ein Sonntagsspaziergang geworden. Nach dem Abstieg fuhren wir an der Südgrenze des National Parks entlang in die Nähe von Abercaf. Dort befanden sich die Henrhyd Falls, die bekanntesten Wasserfälle der Gegend. Nach einem kleinen Abstieg standen wir am Fuße des Wasserfalls der, umrahmt von Bäumen, sehr romantisch aussah. In einer kleinen Kaffeestube stärkten wir uns etwas und wollten noch die Dan-yr-Ogof Höhlen besichtigen. Dort hatten wir kein Glück mehr - schon geschlossen. Wir fuhren im weiteren Verlauf des Nachmittags nur so durch den Naturpark. Zuerst zum River Usk Stausee und dann weiter auf schmalen Straßen durch Orte mit seltsamen Namen wo die Schafe auf der Straße Vorfahrt hatten. Am Abend besuchten wir einen Pub in der Nähe des Zeltpatzes. Alle Leute saßen seltsam ruhig da, eine eher familiäre Atmossphäre.